Nachdem im letzten Monat ein von der Burschenschaft Germania ausgehender Brandanschlag auf mehrere Autos auf dem Gelände des Autonomen Kulturzentrums AK44 Gießen verhindert werden konnte, sind wir komplett überwältigt von den Solidaritätsbekundungen, die wir seither erhalten haben.
Die Vielzahl an Menschen, politischen und zivilgesellschaftlichen Gruppen, die sich mit uns auf unterschiedlichsten Wegen solidarisiert haben, ist enorm und geht über alle Alters-, Orts- und (Sub-)Kulturgrenzen hinaus. Wir haben uns über jede einzelne eurer Nachrichten oder Aktionen gefreut und sagen: Danke!
Auch der Altherrenverband und die Aktivitas der Gießener Burschenschaft Germania haben sich bei uns gemeldet und ihr „tiefes Bedauern über den Vorfall [sic!]“ ausgesprochen, mit dem gleichzeitigen Verweis darauf, dass eine der tatverdächtigen Personen seit dem 25.04.2023 nicht mehr Mitglied ebendieser Burschenschaft sei. Vollkommen ignoriert wird die Beteiligung anderer Mitglieder der Burschenschaft Germania Gießen und der sowohl geographisch als auch ideologisch nahegelegenen Landsmannschaft Darmstadtia.
Und genau hier liegt eines der zentralen Probleme solch altmodischer Männerbünde. Strukturelle Probleme werden als Fehlverhalten einzelner Personen abgetan. Es wird bewusst ignoriert, dass das Prinzip Burschenschaft mit den dazugehörigen antiemanzipatorischen, autoritären und reaktionären Grundeinstellungen ebendieses vermeintlich individuelle Fehlverhalten überhaupt erst zum Vorschein bringt sowie reproduziert und verstetigt. Die Einzelfall-Rhetorik ist ein einfacher Weg, sich der gemeinschaftlichen Verantwortung zu entziehen und innerhalb dieser Denkweise erübrigt sich auch die kritische Auseinandersetzung mit den eigenen reaktionären Strukturen. Und so wirken „überholte Männerbünde als Brandbeschleuniger von rechtsaußen”, wie es die Wiesbadener Fußball-Fangruppe Supremus Dilectio so passend auf den Punkt gebracht hat.
Fast schon zynisch ist dabei, dass bei der Burschenschaft Germania Gießen die „brüderliche“, aufs Lebensbundprinzip gründende Solidarität mit einzelnen Mitgliedern wohl dann endet, sobald diese Mitglieder genau das in die Tat umsetzen, was erst durch die Burschenschaft und deren Ideologie verinnerlicht wurde: Hass gegenüber alternativen Lebensentwürfen, die den patriarchalen und heteronormativen „Normalzustand“ in Frage stellen.
Ebenso zynisch erscheint vor diesem Hintergrund auch die Entscheidung der Stadt Frankfurt, der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft am 18.06. die Paulskirche für geplante Festivitäten im Rahmen einer Verbandstagung zur Verfügung zu stellen. Das geplante Treffen der 28 Mitgliedsburschenschaften, sowie assoziierter Altherrenverbände, wird ein weiteres Mal das Spannungsfeld zwischen rechtem Konservatismus und extremer Rechter aufzeigen, in dem auch die Burschenschaft Germania Gießen zu verorten ist.