In der Nacht auf den 24.04.2023 bemerkten Bewohner*innen des zum AK44 gehörigen Wohnprojekts, dass zwei Verbindungsstudenten aus der Nachbarschaft auf das Gelände des Alten Wetzlarer Wegs 44 eingebrochen waren. Sie bahnten sich einen Weg durch ein Gestrüpp, um über einen Zaun auf das Gelände zu gelangen. Einer von ihnen wurde anschließend dabei beobachtet, wie er sich an den parkenden Autos zu schaffen machte. Es wurde sowohl über Motorhaube als auch Reifen der drei Autos eine stark nach Brandbeschleuniger riechende Flüssigkeit gegossen. Durch das entschlossene Eingreifen der Bewohner*innen des Wohnprojekts konnte der Vorgang unterbrochen und Schlimmeres verhindert werden. Dabei gelang es, eine der zwei männlichen Personen zu fotografieren und eindeutig als Mitglied der benachbarten Burschenschaft Germania zu identifizieren. Die Person war mit einer dunklen Jacke bekleidet, trug ein weißes Oberteil und eine dreifarbige Schärpe. Der Beobachtete flüchtete über den Zaun in Richtung der benachbarten Landsmannschaft Darmstadtia. Sein Komplize war bereits geflohen. Zwischen den beiden Verbindungen brach daraufhin ein offensichtlich panisches Hin und Her aus, dass die Germanen zum zweiten Mal an diesem Abend deutlich als Urheber der Aktion outete. Klar wurde an dieser Situation auch erneut, wie eng die Komplizenschaft zwischen der Burschenschaft Germania und der Landsmannschaft Darmstadtia ist.
Als linkes Wohnprojekt und Kulturzentrum stufen wir den Vorfall als gezielten Angriff auf unser Leben und unsere Strukturen ein. Der vereitelte Versuch der Brandstiftung zeigt einmal mehr, dass Verbindungen und explizit Burschenschaften nicht nur den ideologischen Nährboden für Menschenhass und rechte Ideologien bieten, sondern auch tatkräftige Brandstifter hervorbringen. „Das Schütten von brennbaren Flüssigkeiten auf Fahrzeuge mit dem Ziel diese anzuzünden, stellt eine versuchte Brandstiftung dar. Den Tätern droht daher eine Haftstrafe.“ sagte Rechtsanwalt Dr. Jannik Rienhoff, der die Bewohner*innen vertritt. Wir sind froh, dass kein schwerer Schaden entstanden ist und niemand verletzt wurde. Aber es war knapp und fast hätte es wieder in einem hessischen Wohnprojekt gebrannt, da die Autos direkt am Wohnhaus parken und daher die Bewohner*innen bei einem Brand in Gefahr geraten wären.
Überraschend war der aus dem burschenschaftlichen Spektrum verübte Angriff indes nicht. Die Germania ist durchaus in einem Spannungsfeld zwischen Konservatismus und extremer Rechter zu verorten. Es ist eben dieses Spektrum, welches die (angefragten) Referenten der vergangenen Monate in der Germania widerspiegeln, von Volker Bouffier über Roland Tichy bis Hans Georg
Maaßen. Dass die Germania über ihren Dachverband – die Allgemeine Deutsche Burschenschaft – dem sie 2021 vorsaß, auch mit der AfD verbandelt ist, ist nur konsequent. Beispielsweise führte Frank Grobe das Verbandsorgan des Dachverbandes bis zu seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der AfD-Fraktion im hessischen Landtag. Ebenso komplettiert der Besuch der Burschenschaft Arminia Leipzig und das gemeinsame Fechten mit den Rheinfranken aus Marburg das Bild, beide Burschenschaften sind im extrem rechten Dachverband Deutsche Burschenschaft organisiert.
Dies alles ist nicht auf Einzelne zurückzuführen, sondern Ergebnis einer der Kernaufgaben von Burschenschaften; die Erziehung der Studenten soll nach dem Weltbild und Wertekonstrukt der Burschenschaft geprägt werden. Bei den meisten Burschenschaften (aber auch anderen Studentenverbindungen) geschieht dies auf Basis eines reaktionären Gesellschaftsbildes. Demnach scheint folgerichtig, dass alternative Lebensentwürfe die im Infoladen gelebt werden, ebenso wie die LGBTQ*-Fahne auf dem Dach, eine permanente Provokation für die Burschenschafter darstellen.
Der Austritt der Germania aus der Deutschen Burschenschaft 2008 hat somit vor allem strukturelle Veränderungen mit sich gebracht, inhaltlich steht die Germania der eigenen Vergangenheit in kaum etwas nach.
Tradition eben.